Überraschender Lerneffekt

Geplant war eine entspannte Fahrt auf der «Sauerkraut- Route», also von Strassburg den Rhein hinunter bis Koblenz, dann Mosel und Saar hinauf und wieder zurück nach Strassburg.

Zunächst ist alles super gelaufen: Freundlicher Empfang erst in Speyer , dann in Mainz bei Gutenberg und den Mainzelmännchen.


Auch die Durchfahrt der Rhein- Bergstrecke an der Loreley war schwungvoll erfolgreich: mit 20 km/h bei 1600 rpm – so schnell waren wir noch nie unterwegs.

Die Strecke ist recht kurvig, das Fahrwasser eng und der Berufsverkehr enorm. Bei 10km/h Strömung fahren die grossen Schiffe zu Berg immer mit Vollgas, was eindrückliche Wellen erzeugt – ungefähr wie Achterbahn. Bei uns ist das eine oder andere Mal ein Handy vom Tisch gefallen.

Sicher habt ihr schon einmal einen Barkeeper einen Cocktail mischen sehen: Ungefähr so muss es auch in unseren Dieseltanks zugegangen sein.


Oh Schreck!

Aber dann: urplötzlich bleibt unser Motor einfach stehen. Neu anlassen? Ohne Erfolg.

Wir treiben mit 8km/h auf dem Rhein. Es gibt allerlei felsige Untiefen und dazu jede Menge Berufsschiffahrt.

Was nun? Na klar: Notruf absetzen. Per Schiffsfunk nur mässig erfolgreich (… binnen gibt es keine flächendeckenden Notrufsysteme im Vergleich zum Meer).

Also per Mobiltelefon. Wie war doch gleich die Notrufnummer in Deutschland?

Sehr hilfreich hat sich die Notruf- Funktion in unserem Apfeltelefon herausgestellt: Nach Auslösung des Notfalls kommt ein Rückruf von der Leitstelle. Und: der Ort des Notfalls wird immer wieder aktuell gesendet, auch an die privaten Notfallkontakte (…sofern vorher eingetragen). «Ständig aktualisierter Ort» ist noch eine richtig gute Idee, wenn man auf dem Rhein treibt.

Den Anker haben wir natürlich auch sofort geworfen. Funktioniert leider nicht. Mit kratzenden, zerrenden, knallenden Geräuschen bewegt sich der Anker über felsigen Grund. Die Strömung ist einfach zu stark. Abwechselnd gibt es auch Rasseln im Kies sowie lautloses Rutschen auf Seegras.

Die Freiwillige Feuerwehr war nach ein paar Minuten zur Stelle – erst mit Rufkontakt von Land, dann mit kleinen Rettungsbooten. Sehr professionell wird das Auflaufen auf eine Untiefe mit zwei Booten unterbunden.

Das später aus Koblenz eintreffende grosse Polizeiboot versetzt uns an einen Steiger.


Auf dem Rhein, von links nach rechts: WSP, FFw, FFw, FFw, SSK.

Schaut auch mal bei der Feuerwehr Spay , dort dann «Einsätze» vom 5.6.2025.

Puh, noch einmal gutgegangen.


Weiter geht’s


Am nächsten Tag kommen zwei Servicetechniker und tauschen die Kraftstofffilter.
Siehe da, der Motor läuft wieder.

Nachdem alle Formalitäten und Aufräumarbeiten geklärt sind, gehen wir wieder auf Fahrt. Das Wetter ist regnerisch, aber die Stimmung ist gut, wir fahren weiter in Richtung Koblenz. Wir machen jede Menge Fotos am «Deutschen Eck», fahren in die Mosel mit ihrer ersten Schleuse ein.

Die Schleusung zu Berg funktioniert super. Aber das Anlassen des Motors leider nicht mehr. Offenbar haben wir die neuen Dieselfilter leergefahren, danach geht nichts mehr.

Ein mit uns schleusendes Sportboot zieht uns heraus und dann mangels besserer Alternative gleich 12 km bis nach Winningen. Das ist die Basis der Techniker, die uns schon auf dem Rhein geholfen hatten.

Grundlagen


Bevor ich jetzt etwas zur konkreten Diagnose schreibe, hier zur Erinnerung:


Wasser im Tank

Stellt euch einen schönen Herbsttag vor: draussen ist die Luft warm und nimmt Feuchtigkeit auf. Sobald die Sonne weg ist, wird es schnell kalt, und es bildet sich Tau. So um Mitternacht kommt die Kälte auch im Bootsinneren an, also auch im Tank. Die Luft im Tank zieht sich zusammen und saugt die Aussenluft über die Entlüftungsleitung an. Der Tank «atmet».

Am frühen Morgen gibt es eine Menge Tauwasser auf dem Boot, und im Tank eben auch. Die Wassertropfen sinken auf den Tankboden – ein späteres Verdunsten kommt nicht mehr in Frage, es schwimmt ja jede Menge Diesel über dem Wasser.

Und dieses «Atmen» geschieht dann im Winterhalbjahr vielleicht 100 mal.


Dieselpest


Es gibt Mikroben, die im Wasser leben und sich vom Diesel ernähren. Je nach Befall gibt es eine schmierige Oberfläche bis hin zu einem schimmelartigen Bewuchs.


Problemlösung

Beides, Wasser im Tank und Dieselpest, will man nicht haben. Wasser treibt keinen Motor an und Dieselpest verstopft Ventile und Leitungen.

Was kann man dagegen tun:

  • Ein spezielles Gift wird dem getankten Diesel zugesetzt – das verhindert Dieselpest.
  • Vor der Einwinterung wird der Tank randvoll mit Diesel aufgefüllt. Wenn wenig Luft über dem Diesel steht, atmet der Tank auch weniger.
  • Eine Winterlagerung unter Dach verhindert grosse Tag/Nacht- Temperaturwechsel, auch das reduziert das Atmen.
  • Es wird regelmässig geprüft, ob zuviel Wasser unten im Tank liegt. Abhilfe durch Wechseln der Kraftstofffilter, durch Prüfung mittels Schaugläser oder durch Probenentnahme.
  • Keinen Diesel mit Bio- Anteil tanken. Die «jungen» Anteile zerfallen innerhalb von Monaten zu einem schmierigen Belag ähnlich zur Dieselpest. Also besser den über Jahrmillionen gut abgelagerten fossilen Kraftstoff nutzen. Oder neue, gegen Alterung stabilere Kraftstoffsorten tanken.

Um einen Tank zu reinigen, muss man hineinschauen und mit Reinigungsgeräten hantieren können. Blöd nur, dass es normalerweise keinen Zugang dafür gibt. Eine professionelle Firma wird also erst mal ein grosses Loch in Tank, Fussboden und gegebenenfalls Mobiliar schneiden. Das nennt man ein «Mannloch», es ermöglicht das Arbeiten zur Tankreinigung.


Was war denn nun genau los?

Wir haben uns den Inhalt unseres Dieseltanks genauer angeschaut. Und eine Menge Zeug gefunden. Naja, bei 26 Jahren seit dem Bau keine Überraschung.

Es gibt eine Menge eher kleinerer Partikel. Das ist normaler «Dreck» und weiter kein Problem, weil die Filter das sauber auffangen.

Eine Ladung Dieselpest ist wohl auch drin. Was man durch eine umfangreiche Tankreinigung beheben könnte.

Aber dann kommt der Hammer: einige Partikel haben ein rostrote Färbung – man ahnt es kaum: das ist Rost.

Und erst jetzt schauen wir uns den Tank genauer an: er besteht aus Stahl. Der rostet innerlich, und es besteht langfristig die Gefahr, dass Lecks entstehen: massig Dieseltreibstoff in der Bilge, per Bilgenpumpe dann im umgebenden Wasser. Das ist überhaupt nicht lustig.

Besser wäre Edelstahl gewesen. Aber auch Edelstahl kann ganz langsam durch «galvanische Elemente» zusammen mit Wasser zersetzt werden. Sollte euch also beim Tanken ein Kupferschnipsel oder ein goldener Ring in den Tank fallen: am besten sofort das Boot verkaufen…


Und jetzt?

Damit ist die Tankreinigung aus dem Spiel.
Jetzt sieht die Problembeseitigung so aus: Tank entfernen, neuen Tank passgenau aus Kunststoff fertigen lassen und einbauen.
An diesem Punkt geht uns folgendes durch den Kopf: warum fahren wir eigentlich mit hunderten Litern Kraftstoff als Ballast herum? Statt einmal tanken pro Jahr dann eben zwei mal; das geht auch.
Der neue Kunststofftank wird also vielleicht nur noch halb so gross sein wie der alte.

Alles in allem wird die Reparatur einen fünfstelligen Betrag kosten und ungefähr ein Vierteljahr dauern, vielleicht auch ein halbes Jahr. Der Sommer ist dann vorbei.

Das war unser Lerneffekt für dieses Jahr.


Ganz wichtig, nicht vergessen


Uns wurde von ziemlich vielen Leuten höchst professionell geholfen: Rettungsdienste, Freiwillige Feuerwehr, Wasserschutzpolizei, Servicetechniker, Wassersportkameraden: Wir wissen, dass ihr alle etwas anderes an Pfingsten vor hattet, also ein dickes Dankeschön für eure Hilfe!


Liebe Leser,


Wann habt ihr zuletzt in euren Tank hineingeschaut?

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