Der Telemark- Kanal in Norwegen

An jeder Schleuse hängt ein Schild, auf dem ganz schüchtern anklingt, worum es eigentlich geht: In den Jahren 1861 bis 1892 wurde der Kanal gebaut. Und ist bis heute in allen wesentlichen Teilen genau so erhalten. Als Schleusenschiffer geht man also nicht in ein Museum – man ist Teil des Museums.
So zum Vergleich: Erst 1866 wurde das Dynamit erfunden, 1897 dann der Dieselmotor. Grosse Teile des Kanals wurden also noch mit der Spitzhacke in den Fels gegraben, und dann wurde auf dem Kanal gerudert…


Die Wand in der Schleusenkammer sieht nach pragmatischer Handarbeit aus. Das Boot rutscht an Stahlschienen entlang. Ob das ohne grössere Kratzer geht – unser Boot sieht bis jetzt noch neu aus, bleibt es dabei?

An der dritten Schleuse wurden uns leihweise zwei passende Fender übergeben. Super, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.


In den Schleusen werden keine bootseigenen Festmacher benutzt, sondern die Leinen von der Schleusenbesatzung. Eine eingespielte Wurftechnik sichert zügiges Weiterkommen.

Wenn das Boot auf Backbordseite an der Schleusenwand liegt, dann soll die Leine auf Steuerbordseite geführt werden. Eigentlich sinnvoll und hier theoretisch vorgeschrieben, dennoch haben wir dies nicht oft bei anderen Booten gesehen.

Kurz ober- und unterhalb der Schleusen kann es im Fluss unangenehme Strömungen geben. Besonders früher wurde ja viel gerudert. Dieses Problem wurde mit langen Trennmauern zwischen Fluss und Kanal gelöst.
Die Kursschiffe «Henrik Ibsen» und «Victoria» fahren jeweils im Wechsel an einem Tag den ganzen Kanal bergwärts, dann am nächsten Tag zu Tal. Und diese Schiffe haben natürlich Vorrang in der Schleuse.

Nach Einfahrt in die Schleuse begutachtet der Lockkeeper mit geschultem Blick, wie viel dem Boot und dessen Crew zumutbar ist. Entsprechend wird der Wasserzufluss dosiert.
Die Schieber für die Kammerflutung sind manchmal etwas schwergängig. Grossartiger Körpereinsatz!
Der Wasserzufluss erzeugt in der Schleusenkammer eine gewisse Dynamik.

Die Mechanik für Wasserdurchfluss sowie für die Bewegung der Schleusentore ist sehr einfach, funktioniert aber heute noch genau so wie vor 150 Jahren.
Durch kräftiges Hin- und Herhebeln bewegen sich die Schleusentore erstaunlich zügig.

Wir Schleusenschiffer sind es ja gewohnt, dass immer wieder Zuschauer die Schleusung verfolgen. Aber hier ist es besonders: Wie im 19.Jahrhundert, so ist es auch heute für Zuschauer möglich, direkt bis an die Schleusenkammer zu treten und auch über die Schleusentore zur anderen Seite zu wechseln.
Für mich war es jedenfalls neu, dass ich nach einer Zu- Berg- Schleusung die Zuschauer mit Handschlag begrüssen konnte.

Vor und nach der Schleuse schliesst oftmals ein längerer schmaler Kanal an. Dort sind mangels Breite Begegnungen mit anderen Booten nicht möglich.
Eine Regelung mit Ampeln gibt es nicht. Warum auch? Wir haben in 5 Tagen lediglich so fünf oder sechs andere Sportbootfahrer gesehen.
Allerdings sollte man den Fahrplan der Kursschiffe im Kopf haben (…oder doch lieber vorher bei der Schleuse anrufen).

Manchmal fährt man auch über grössere Seen.
Hier im Bild sind wir sehr nahe am Ufer unterwegs. Was man auch problemlos machen kann…

…weil der Tiefenmesser einen grosszügigen Abstand zum Grund anzeigt.

Dies war so ungefähr die grösste Tiefe, die wir gemessen haben. Da haben die Gletscher der Eiszeit saubere Arbeit geleistet.

Das Herunterschleusen geht recht entspannt und dennoch sehr schnell vor sich. Hier der Blick von der obersten von insgesamt fünf Schleusenkammern.

Unten angekommen funktioniert es wie in einer Auto- Waschanlage: Am Schluss gibt es die Radkappen- Reinigung.

Die Übernachtungen in den Marinas haben wir als sehr entspannt wahrgenommen. Es waren maximal drei Sportboote gleichzeitig im Hafen. Nun gut, die Saison läuft von Juni bis zum 13.August – danach kann der Kanal nur noch auf Anmeldung befahren werden (…mit erheblich höheren Gebühren). Wir waren also in der letzten Woche der diesjährigen Saison unterwegs.

Die Boote von «canalboats.no» (wir hatten eine Greenline39) werden alle rein batterie- elektrisch angetrieben. Für die vorgeschlagenen Routen wird eine «max. hastighed» von 5kn empfohlen, was die Batterie jeden Tag so ungefähr zur Hälfte entlädt. In allen Marinas gibt es Lademöglichkeiten, mit den üblichen Stromanschlüssen ist ein Aufladen über Nacht problemlos möglich. Warmwasser zum Duschen sowie Herd usw. wird ab Fahrbatterie gespiesen und fällt im Vergleich zum Bootsantrieb kaum auf.
Wer etwas flotter unterwegs sein will, kann auch die Fast- Charger nutzen und gegebenenfalls zweimal täglich laden.

An diese Summen muss man sich auch erst gewöhnen. Teile den Betrag in Norwegischen Kronen durch 10 und du landest ganz grob bei Schweizer Franken.
Nähere Informationen
- www.telemarkskanalen.no Hier gibt es eine Menge Infos zum Kanal. Unter anderem den Fahrplan der Kursschiffe.
- www.canalboats.no «Canal Boats Telemark» war unser Bootsvermieter, stationiert in Porsgrunn.
- www.dalenhotel.no/ Am oberen Ende des Kanals liegt Dalen mit seinem berühmten «Dalen Hotel». Wer also nicht im Sportboot, sondern mit dem Kursschiff reisen will, der bleibt hier zwei, drei Nächte…
- www.mshenrikibsen.no/en Die Website für das Kursschiff «Henrik Ibsen»
- www.visitnorway.de/reiseziele/ostnorwegen/telemark/kanal/ Etwas allgemeinere Information auf Deutsch.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Telemarkkanal Viele weitere Details zum Kanal, sowie weiterführende Links.
Nachwort
Für uns war die Reise auf dem Telemarkkanal eine Riesenfreude. Insofern kann ich dies allen Schleusenschiffern bestens empfehlen. Allerdings: Bitte, erzählt es nicht weiter – die manuell bedienten Schleusen vertragen keinen Massenandrang. Das Geniessen der wunderschönen norwegischen Landschaft mit nur wenigen Gleichgesinnten ist herrlich. Nur so eine Idee: möglichst schnell hinfahren – solange dies alles noch nicht so recht von Instagram und Booking.com entdeckt wurde.

Die Crew von links nach rechts: Unser Sohn Sebastian, meine Frau Elvira und euer Autor Thomas.




Eine Antwort
Das ist ja noch rustikaler als am Götakanal und am Trollhättan Kanal.
Wir haben diese beiden diesen Sommer von Ost nach West befahren und sind jetzt immer noch an der Westküste von Schweden, südlich von Göteborg unterwegs.